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Buch des Anstoßes. Nicht jeder Fan von Heinz Buschkowskys "Neukölln ist überall" verhält sich im Netz mustergültig.

© dpa

Kommentar zur Buschkowsky-Debatte: Liebe Neuköllner SPD, geht’s noch?

Eine Bloggerin wird im Netz gemobbt, weil sie Heinz Buschkowskys Buch rassistisch genannt hat. Selbst schuld, meint der Sprecher der Neuköllner SPD. Ist das gedankenlos? Vielleicht. Ist es zynisch? Auf jeden Fall!

Um das gleich vorweg zu nehmen: Es geht an dieser Stelle nicht darum, die Bloggerin Meike Büttner (alias Maike von Wegen) zu verteidigen. Als die auf einer Facebook-Unterstützerseite des Neuköllner Bürgermeisters Heinz Buschkowsky anlässlich der Veröffentlichung seines Buchs „Neukölln ist überall“ einen kritischen Kommentar schrieb und daraufhin dort mit Buschkowsky-Fans in den Clinch geriet, vergriff sich auch Büttner mehrfach im Ton. Dem Bürgermeister „politische Propaganda“ vorzuwerfen, seine Fürsprecher „ausnahmslos argumentlose und bildungsferne Menschen“ zu nennen, das ist, bei aller Erregung, wahrlich nicht die feine Art.

Es geht hier um die Reaktion der Neuköllner SPD. Büttner hatte in der vergangenen Woche in einem Text auf Tagesspiegel.de beklagt, nach dem Hinterlassen des Kommentars nicht nur mit kritischen Reaktionen auf der Seite, sondern auch mit Hassmails überzogen worden zu sein. Zudem hätten Hacker von ihr betreute Blogs- und Webseiten, darunter auch professionelle Projekte, zeitweise lahmgelegt. Joschka Langenbrinck, Sprecher der Neuköllner SPD und Mitglied des Abgeordnetenhauses, sagte daraufhin dem Tagesspiegel, wer Buschkowsky als Rassisten bezeichne, müsse sich nicht wundern, wenn es „entsprechende Reaktionen“ gebe.

Dazu ist zu sagen: Liebe Genossen, geht’s noch? Ist das eure Denke – wenn jemand unseren Boss rassistisch nennt, dann muss er oder sie damit rechnen, gemobbt und terrorisiert zu werden? Sind Übergriffe im Netz o.k., weil das Opfer nicht an Fleisch und Blut, sondern „nur“ an Psyche und Geldbeutel verletzt wird? Na herzlichen Glückwunsch!

Fangen wir aber nochmal ganz vorne an: Hat Büttner Buschkowsky tatsächlich als rassistisch bezeichnet? Nun ja, sie schrieb ihm: „Ich kann Ihnen nicht folgen. Vielleicht liegt das daran, dass ich auf meinem rassistischen Ohr taub bin???“ Ohne Haarspalterei betreiben zu wollen: Büttner hat damit niemanden „rassistisch“ genannt, sondern nur das Geschriebene. Dass sie daraufhin selbst als Person in aller Öffentlichkeit diskriminiert wurde, dass Nutzer sie bei Facebook genüsslich beim Klarnamen nannten und andeuteten, ihre Adresse zu kennen, stimmt jedoch durchaus.

Nun ist ja eine Frage, ob jemand jemanden tatsächlich – zu Recht oder Unrecht – rassistisch genannt hat. Eine andere ist, ob die Nachstellungen, die dieser Jemand dadurch erfährt, gerechtfertigt sind. Eine dritte ist, ob der Gastgeber eines Forums im Internet für das zur Verantwortung gezogen werden kann, was dort und, ausgehend von der dortigen Diskussion, anderswo passiert.

In Ansätzen wurde diese Diskussion schon einmal geführt: als sogenannte „Islamkritiker“ nach den Attentaten von Anders Breivik unter Rechtfertigungsdruck gerieten. Aus der „inneren Haltung“ islamfeindlicher Webseiten wie „Politically Incorrect“ heraus erschienen „ Taten wie in Norwegen nicht überraschend“, schrieb im Juli 2011 der „Zeit“-Blog „Störungsmelder“. Auch auf eine interessante Eigenheit von „Politically Incorrect“ verwies der Beitrag: dass nämlich, während die Texte der offiziellen Autoren meist verfassungskonform bleiben, die Nutzer sich in den Kommentaren darunter in Mordfantasien ergehen dürfen, ohne dass die Redaktion mäßigend eingreift.

Soll hier nun Buschkowsky in die Nähe von Islamfeinden gerückt werden? Nein! Die Rechtfertigungsstrategie seiner Unterstützer verwundert jedoch. So weltfremd, zynisch und aus den faden Unschuldsbekundungen der „Politically Incorrect“-Macher bekannt erscheint die Verkennung der Tatsache, dass der, der im Netz ein Forum anbietet, eine Verpflichtung eingeht – vielleicht nicht juristisch, aber moralisch; nämlich die, es zu pflegen und seine Nutzer zumindest dort vor verbalen Übergriffen durch andere Nutzer zu schützen. Man kann eine Diskussion moderieren, unsachliche Beiträge löschen, sein Bedauern ausdrücken. Man kann natürlich auch als SPD-Sprecher ein „Selbst schuld“ in Richtung des Opfers einer schlechten Moderation schicken. Um dazu abschließend etwas im „Endlich sagt’s mal einer“-Ton vieler Buschkowsky-Supporter bei Facebook zu sagen: Es muss erlaubt sein, das ekelhaft zu finden.

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